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Resozialisation durch vier Pfoten -
Wie die Mensch-Tier-Beziehung Menschen hilft, ihr Leben zu gestalten
von Sonja Gusella

Referat zum Thema "Tiergestützte Therapie"
anläßlich des zehnjährigen Bestehens des Vereins "Tiere helfen Menschen, e.V." in Würzburg, 1997

 

 

1. Resozialisation durch vier Pfoten. -
Eine Frauenhaftanstalt in den USA geht neue Wege in der Resozialisation ihrer Insassinnen

- Bei der Projektbeschreibung stütze ich mich auf zahlreiche eigene Veröffentlichungen des Prison Pet Partnership Program und auf einige Zeitungsartikel, die darüber erschienen sind.
Ein weiterer Teil der Projektbeschreibung stützt sich auf Gespräche, die ich im Januar 1997 mit Insassinen und Personal des Washington Corrections Center for Women geführt habe.-

 

Das Washington Corrections Center for Women

-Ehemals Purdy Treatment Center for Women und im folgenden WCCW abgekürzt-

in Gig Harbor (Washington State) geht neue Wege in der Resozialisation seiner Insassinnen.
Es bietet diesen die Möglichkeit, während ihrer Haftzeit Hunde zu sogennanten Service-Hunden auszubilden, die dann an behinderte Menschen abgegeben werden, um diesen zu helfen ihr Leben weitgehend unabhängig von menschlicher Hilfe zu bewältigen.

-Ein Service-Hund ist jeder Hund, der speziell dafür trainiert wurde, Arbeiten bzw Aufgaben für einen behinderten Menschen zu übernehmen bzw. diesem zu assistieren.
Dies kann beinhalten: einen sehbehinderten Menschen zu führen, einen Menschen mit beeinträchtigtem Hörvermögen auf die Anwesenheit von Menschen oder auf Geräusche aufmerksam zu machen, einen Rollstuhl zu ziehen, heruntergefallene Gegenstände aufzuheben etc.
(vgl hierzu Duncan 1996: Facts you should know about Service Dogs)-

Das WCCW ist ein Hochsicherheitsgefängnis

-Nach dem Grad der Sicherheitsvorkehrungen unterscheiden die Amerikaner zwischen minimum-, medium- und maximum-security prisons, wobei im Bundesdurchschnitt 44 Prozent aller Gefangenen in sogenannten maximum-security-prisons untergebracht sind. (vgl hierzu: Kaiser, 1983) -

mit zur Zeit circa 600 Insassinnen, von denen die meisten zwischen fünfzehn und zwanzig Jahren einsitzen.
Etwa zehn Prozent der Insassinnen sitzen lebenslänglich ein, wovon noch einmal die Hälfte wegen der Schwere der von ihnen begangenen Delikte keine Chance hat, jemals wieder aus der Haft entlassen zu werden. Ein großer Teil der inhaftierten Frauen kommt nach eigenen Angaben aus sogenannten Problemfamilien. Nicht wenige von ihnen haben bereits in ihrer Kindheit Gewalterfahrungen sowohl körperlicher als auch seelischer Art gemacht. Dies setzte sich häufig auch in späteren Beziehungen unterschiedlicher Art fort.

 

1.1 Die Entstehungsgeschichte des Projektes
Die Idee, inhaftierten Frauen die Möglichkeit zu geben, während ihrer Haftzeit Service-Hunde auszubilden, hatte 1980 Kathy Quinn. Sie selbst hat einen Großteil ihrer Jugend in verschiedenen Erziehungsheimen und Gefängnissen verbracht.
Ihre Liebe zu Hunden und ihr Entschluß, aus dieser Liebe eine Profession zu machen, indem sie Hundetrainerin wurde, brachte ihr, nach eigenen Aussagen, zum erstenmal in ihrem Leben Erfolgserlebnisse, was ihr Leben von Grund auf veränderte und verhinderte, daß sie erneut inhaftiert wurde (vg. hierzu: Hines, 1983).

Diese eigenen positiven Erfahrungen im Umgang mit Hunden weckten in Kathy Quinn die Idee, daß andere Inhaftierte in ähnlicher Weise von der Arbeit mit Hunden profitieren könnten wie sie selbst.
Dies veranlaßte sie, sich an die Frauenhaftanstalt in Gig Harbor sowie an das für den Strafvollzug im Staate Washington zuständige Department of Corrections zu wenden, um in Erfahrung zu bringen, ob es möglich wäre, im WCCW Kurse anzubieten, in denen die inhaftierten Frauen lernen, Hunde zu trainieren.
Der Schwerpunkt der Arbeit sollte dabei auf dem Training von Service-Hunden liegen. Der Vorschlag von Kathy Quinn stieß sowohl bei der Anstaltsleitung des WCCW als auch beim Department of Corrections auf Interesse, und so konnte das Projekt im Frühjahr 1981 beginnen.

Das eigentliche Neue an dem von Kathy Quinn initiierten Projekt ist, daß es den inhaftierten Frauen nicht nur eine sinnvolle Aufgabe während ihrer Haftzeit gibt, sondern, daß es diesen zudem die Möglichkeit eröffnet, eine Ausbildung zu absolvieren, die ihnen hilft, nach ihrer Entlassung außerhalb der Haftanstalt wieder Fuß zu fassen.
Hierzu muß man wissen, daß die meisten Haftanstalten in den USA ihren Insassen nur geringe Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten bieten.
Angebote zur schulischen Weiterbildung waren im WCCW aber bereits vor der Initiative von Kathy Quinn üblich. Dieses bietet seinen Insassinnen nämlich seit den siebziger Jahren in Zusammenarbeit mit dem Tacoma Community College und der Washington State University Kurse zur schulischen Weiterbildung an.
Berufsausbildungen wurden bisher nicht im WCCW angeboten. Es war und ist den Insassinnen allerdings freigestellt, diverse Arbeiten im Hauswirtschaftlichen Bereich der Anstalt zu übernehmen.

Der nächste Schritt die Idee in die Praxis umzusetzen begann damit, daß Kathy Quinn gemeinsam mit Lehrenden des Tacoma Community College und der Washington State University ein Curriculum für das Programm entwickelten.

-Einer der ersten, der Kathy Quinn in ihrem Vorhaben unterstützte, war Leo Bustad, Professor für Veterinärmedizin an der Washington State University und erster Präsident der Delta Society, die sich seit den siebziger Jahren der Förderung und Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung widmet (vgl. hierzu: Hines, 1983, in: California Veterinarian, 5/1983). Die Delta Society hat ihren Sitz in Renton/WA nahe Seattle/WA.-


Dieses beinhaltete sowohl praktische als auch theoretische Unterrichtseinheiten. Wobei zu Beginn des Programms der Schwerpunkt der Arbeit allerdings auf dem Training der Hunde lag.
Der theoretische Unterricht diente nur als Ergänzung des praktischen Umgangs mit den Hunden. Die Hunde wurden damals noch von Kathy Quinn und ihren beiden Co-Trainerinnen von außerhalb mit in die Anstalt gebracht.

Die ersten Hunde des Programms wurden von ortsansässigen Hundezüchtern und Tierschutzvereinen gestiftet (vgl. hierzu: Greiffenhagen, 1991).
Erst später ging man dazu über, Hunde aus Tierheimen zu holen, um diese zu Service-Hunden auszubilden, und sie so vor dem sicheren Tod durch einschläfern zu retten.

Etwa zur gleichen Zeit entstanden auf dem Gelände der Haftanstalt Zwingeranlagen, so daß die Hunde, die von den Insassinnen trainiert wurden, auch innerhalb der Anstalt untergebracht werden konnten.

Eine einschneidende Veränderung des Programms ergab sich 1991, als sich die Gründerin aus diesem zurückzog, da sie sich entschlossen hatte, Ordensschwester zu werden.

 

1.2 Das Prison Pet Partnership Program heute
Seit dem Ausscheiden von Kathy Quinn wird das Prison Pet Partnership Program (im folgenden PPPP abgekürzt),
wie das Programm heute heißt, von einem dreiköpfigen Team geleitet.
Dieses besteht aus der Programmleiterin (Jeanne Hampl), der Ausbildungsdirektorin (Darlene Mattson) und der Trainingskoordinatorin (Marie Varela).
Da alle drei nur eine halbe Stelle innehaben, teilen sie sich die verwaltungstechnischen Aufgaben wie auch den praktischen Unterricht. Zur Aufgabe der Programmdirektorin gehört es, die anfallenden Verwaltungsarbeiten zu erledigen, sich um Spendengelder zu bemühen, sowie Kontakt zur Anstaltsleitung und zur Presse zu halten. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist es, die Insassinnen in der Ausbildung der Service-Hunde zu unterweisen.

Die Ausbildungsdirektorin koordiniert die theoretische und praktische Ausbildung der am Programm beteiligten Insassinnen und sorgt dafür, daß die anstaltsinternen Prüfungen den Standards außerhalb der Haftanstalt entsprechen.
Denn nur so haben die Insassinnen nach ihrer Haftentlassung eine reelle Chance, mit den im PPPP erworbenen Kenntnissen und Qualifikationen auf dem freien Arbeitsmarkt eine Arbeit zu finden.
Zusätzlich kümmert sie sich um die Koordination der tierpflegerischen Arbeiten und die Belegung der Zwingeranlagen.

Die Trainingskoordinatorin spricht gemeinsam mit den Insassinnen Trainingsprogramme für die von ihnen trainierten Hunde ab und steht diesen jederzeit als Kontaktperson zur Verfügung, wenn es Fragen oder Schwierigkeiten im Training gibt.
Zudem koordiniert sie die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer, der am Programm beteiligten Insassinnen und derjenigen, die einen Hund aus dem Programm bekommen.

Seit 1991 ist das PPPP außerdem ein selbständiges non-profit Unternehmen6 innerhalb des WCCW.

 

1.3 Die Finanzierung des Programms
Finanziert wird das Programm heute hauptsächlich aus vier Quellen: $ 35.000 jährlich zahlt das Washington Department of Corrections, weitere Gelder kommen aufgrund von Spenden und Sammlungen (fund raising) und durch das Training, das Scheren und die Unterbringung von Hunden in den gefängniseigenen Zwingeranlagen herein.
Insgesamt hat das PPPP ein jährliches Budget von $ 88.000 (vgl. hierzu: Lassie Comes Home... to Prison, 1996).

Seit das PPPP ein selbständiges Unternehmen innerhalb der Haftanstalt ist, werden auch die Insassinnen zum Teil für ihre Arbeit bezahlt.

-Hierzu sollte man wissen, daß ein derartiges eigenständiges Unternehmen innerhalb einer Haftanstalt nicht in allen Bundesstaaten der USA realisierbar ist, denn nur Washington (State) und drei weitere Bundesstaaten haben per Gesetz die private Produktionsbeteiligung in Haftanstalten zugelassen.
In der Regel handelt es sich bei Arbeitsprogrammen innerhalb von Haftanstalten um Angebote des Department of Corrections und die dort gefertigten Produkte dürfen auch nur an staatliche Einrichtungen verkauft werden. Diese Regelung soll verhindern, daß gefängniseigene Betriebe eine Konkurrenz zu den Betrieben außerhalb darstellen (vgl. hierzu: Plagemann, 1984)-

Zur Zeit arbeiten acht Insassinnen als Teilzeit-Hundetrainerinnen und bekommen hierfür monatlich $ 75 Lohn.
Von ihnen wird erwartet, daß sie zusätzlich noch einer weiteren Arbeit innerhalb des Gefängnisses nachgehen, z.B. in der anstaltseigenen Schneiderei, in der Wäscherei oder im hauswirtschaftlichen Bereich.

Drei weiteren Insassinnen arbeiten als Vollzeit-Hundetrainerinnen und bekommen hierfür $ 300 Lohn.
Um diese Bezahlung der Insassinnen, zumindest derjenigen, die über einen längeren Zeitraum und professionell im Programm mitarbeiten, haben die Programmleiterinnen lange mit dem Department of Corrections gerungen.
Dieses Widerstreben, die Arbeit der Gefängnisinsassinnen zu entlohnen erklärt sich einerseits aus den knappen Finanzmitteln der zuständigen Behörde, andererseits aber auch daraus, daß es in den USA nicht unbedingt üblich ist, Gefängnisinsassinnen für ihre Arbeit zu entlohnen, da die verrichtete Arbeit als Teil der Strafe angesehen wird (vgl. hierzu: Plagemann, 1984).

Auch wenn der oben genannte Lohn gering erscheinen mag, sehen ihn die Programmleiterinnen als sehr wichtig an, weil er den Insassinnen ein gewisses Maß an Normalität vermittelt.
Denn außerhalb des Gefängnisses ist es schließlich auch üblich, für geleistete Arbeit entlohnt zu werden.

Auch erhalten die Insassinnen durch den Lohn die Möglichkeit, sich kleinere Wünsche zu erfüllen oder auch einen Teil des Geldes zu sparen.

 

1.4 Ziele und Ausbildungsmöglichkeiten des Prison Pet Partnership Programm
Das PPPP verfolgt bei seiner Arbeit vorrangig vier Ziele, die ich im Folgenden kurz darstellen möchte (vgl. hierzu: Prison Pet Partnership Program 1996).

1. Die pet care industry soll mit gut ausgebildeten,
fähigen "groomern" (to groom = Tiere scheren/pflegen),
Hundetrainerinnen und Zwingerpersonal
versorgt werden.

2. In Zusammenarbeit mit den örtlichen Tierheimen sollen
Hunde gerettet werden, die ansonsten, weil sie niemand
haben wollte, mit größter Wahrscheinlichkeit
eingeschläfert worden wären.

3. Menschen mit körperlichen Behinderungen sollen mit
Service-Hunden versorgt werden, die es ihnen
ermöglichen, weitgehend unabhängig von menschlicher
Hilfe und Pflege ihr Leben selbstverantwortlich
zu gestalten.

4. Und last but not least dient das PPPP der
Rehabilitation der Insassinnen, die durch den Kontakt
zu den Hunden bedingungslose Liebe erfahren. Sie lernen durch das
Training der Hunde zudem, etwas von sich selbst zu geben, besonders dadurch, daß sie die ausgebildeten Hunde schließlich an behinderte Menschen abgeben.
Auch lernen sie dadurch für andere zu sorgen und damit Verantwortung für diese zu übernehmen.

- Der Begriff Rehabilitation wird im angelsächsischen Sprachraum nicht nur für die Rehabilitation kranker und behinderter Menschen benutzt, wie im deutschen Sprachraum üblich, sondern dort spricht man auch von der Rehabilitation Straffälliger (vgl. hierzu Cornel et al., 1995). Man benutzt diesen Begriff dort also synonym zu den Begriffen Resozialisation oder Resozialisierung.-

Um die von ihm angestrebten Ziele zu erreichen, stellt das PPPP ganz klare Anforderungen an diejenigen, die sich um Aufnahme ins Programm bewerben.

Jede Insassin, die an dem Programm teilnehmen möchte, muß zuerst den Eingangstest zum pet care technician level one bestehen.
Erst nach bestandener Prüfung dürfen die Insassinnen am PPPP teilnehmen. Auch nach dem Eingangstest müssen die Anwärterinnen noch ein dreimonatiges Praktikum ableisten, bevor sie endgültig ins Programm aufgenommen werden.
In dieser Zeit können die Insassinnen das PPPP jederzeit wieder verlassen bzw. von den Programmleiterinnen aufgefordert werden, dieses zu verlassen.
Der eben erwähnte Test dient nach Angaben der Programmleiterin dazu, unter der Vielzahl der Bewerberinnen diejenigen herauszufinden, die wirklich ernsthaft an einer Mitarbeit im PPPP interessiert sind und daher auch bereit sind, den Test auf sich zu nehmen.
Auch dient der Aufnahmetest dazu, die inhaftierten Frauen mit einer Situation vertraut zu machen, die sie nach ihrer Haftentlassung mit Sicherheit erwarten wird, nämlich spätestens dann wird von ihnen erwartet werden, daß sie sich bewerben und ggf. auch an einem Eignungstest teilnehmen, um eine Arbeitsstelle zu bekommen.

Der Test dient allerdings auch als Auslesekriterium, denn das Programm ist sehr begehrt bei den Insassinnen des WCCW, so daß viele daran teilnehmen möchten. Da aber aus Platz- und Organisationsgründen nur eine bestimmte Anzahl an Insassinnen am PPPP teilnehmen können, dient der Test als Vorauswahl, der bereits einige Bewerberinnen aussiebt.

Zwei Drittel derjenigen, die an dem oben beschriebenen Test teilnehmen, bestehen ihn auch und dürfen anschließend am Programm teilnehmen.

Bevor die Frauen jedoch überhaupt erst zum Aufnahmetest zugelassen werden, müssen sie eine schriftliche Bewerbung an das Leitungsteam des PPPP verfassen.

Außerdem dürfen sich die Bewerberinnen mindestens drei Monate keine Regelverstöße gegen die Vollzugsordnung zuschulden kommen lassen, denn dies würde die Ablehnung bedeuten.
Ähnliches gilt übrigens auch für Programmteilnehmerinnen, die sich während ihrer Beschäftigung im Programm Regelverstöße zuschulde kommen lassen.
Zweimal werden sie verwarnt, beim dritten Mal müssen sie das PPPP verlassen. Zu den eben erwähnten Regelverstößen zählen z.B. handgreifliche Streitereien mit Mitgefangenen oder Vollzugsbeamten, der Verstoß gegen das Verbot des Drogenbesitzes, etc. Eine erneute Aufnahme ins Programm ist dann nicht mehr möglich. Auch wer nicht regelmäßig an den theoretischen und praktischen Unterrichtseinheiten teilnimmt oder den ihm anvertrauten Hund mißhandelt, muß das PPPP verlassen.
Seit 1996 bietet das PPPP seinen Teilnehmerinnen außerdem die Möglichkeit, aufbauend auf dem pet care technician level one die Prüfung zum pet care technician level two abzulegen. Dieser Prüfung geht eine einjährige Ausbildung voran, in der den Teilnehmerinnen praktische und theoretische Kenntnisse im tiermedizinischen Bereich vermittelt werden.
Wenn die Programmteilnehmerinnen den Test zum pet care technician level two abgelegt haben, entspricht das annähernd der deutschen Ausbildung zur Tierarzthelferin. Das heißt die Insassinnen, die diese Ausbildung absolviert haben, können sich nach ihrer Haftentlassung in Tierkliniken und bei Tierärzten bewerben.

Das PPPP bietet seinen Teilnehmerinnen aber noch eine weitere Ausbildungsmöglichkeit an, nämlich die zum companion animal hygienist. Diese Ausbildung entspricht in etwa der deutschen Ausbildung zur Tierpflegerin (Schwerpunkt Haustiere), umfaßt allerdings auch eine Ausbildung im Scheren und Krallenschneiden, was in der BRD in der Regel von Hundesalons übernommen wird.

Insassinnen, die diese Ausbildung absolviert haben, können sich nach ihrer Entlassung aus der Haft entweder in Tierheimen oder auch in Hundesalons bewerben.
Beide Ausbildungsgänge sind staatlich anerkannt, so daß die Programmteilnehmerinnen später eine abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können, was für die Zeit nach ihrer Haftentlassung sehr wichtig ist, da viele der inhaftierten Frauen über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen und daher über wenig Perspektiven verfügen, wie sie nach ihrer Haftentlassung Arbeit finden könnten.

1996 hat das PPPP fünfzig ausgebildete Hunde an Familien und einzelne Personen abgegeben, davon waren aber nur vier Service-Hunde. Es ist nämlich keinesfalls so, daß das PPPP nur Service-Hunde ausbildet. Es werden dort auch Therapiehunde für den Einsatz in Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Altenheimen, etc. ausgebildet.
Die größte Anzahl der Hunde erhält jedoch ein grundlegendes Gehorsamstraining (basic obedience training) und wird danach als Familien- und Begleithunde abgegeben.

Das PPPP hat mit seinem Angebot eine Marktlücke entdeckt und dies sogar in zweifacher Hinsicht. Zum einen holt es Hunde aus Tierheimen und gibt ihnen eine grundlegende Erziehung, so daß sie besser zu vermitteln sind. Zum anderen werden in den USA zwar seit den siebziger Jahren Service-Hunde für behinderte Menschen ausgebildet, dennoch ist es für den Einzelnen, der einen derartigen Hund sucht, häufig schwierig, ihn zu bekommen.
Es gibt zwar jede Menge Anbieter auf dem Markt, Organisationen wie private Hundetrainer, aber eine ganze Reihe dieser Anbieter sind leider nicht seriös. Das hängt auch damit zusammen, daß es bisher noch keine Ausbildungsstandards für Service-Hunde gibt (vgl. hierzu: Duncan, 1996).
Nicht selten fordern unseriöse Organisationen oder auch private Hundetrainer horrende Summen für die Ausbildung eines Hundes, die die meisten Interessenten nicht zahlen können. Häufig werden auch schlecht ausgebildete Hunde abgegeben, die die vom Besitzer erwarteten Aufgaben gar nicht erfüllen können.

Das PPPP dagegen hat klare Richtlinien für die Ausbildung seiner Hunde erarbeitet, die mit zunehmender Erfahrung immer wieder ergänzt, und falls nötig geändert werden.

Seit seinem Beginn hat das PPPP fünfhundert Hunde ausgebildet und an Interessenten abgegeben, davon waren etwa 50 Service-Hunde.

Für die inhaftierten Frauen stellt das Hundetrainingsprogramm zum einen, wie oben bereits erwähnt, eine sinnvolle Aufgabe dar, zum anderen ermöglicht es ihnen aber auch ganz neue Seiten an sich kennenzulernen.
So geben die Hunde den Programmteilnehmerinnen die Möglichkeit, ganz ungeniert Zärtlichkeit geben und empfangen zu dürfen.
Den Hunden gegenüber bestehen nämlich meist nicht derartige Hemmschwellen wie gegenüber Menschen, denn schließlich tauscht man mit fremden Menschen nicht einfach Zärtlichkeit aus, auch wenn man das Bedürfnis hätte.
Mit den Hunden dagegen dürfen die Insassinnen schmusen und kuscheln. Ein besonders wichtiger Aspekt, wenn man weiß, daß ansonsten jeglicher Körperkontakt, und sei es auch nur eine Umarmung, innerhalb des WCCW untersagt ist. Von Seiten der Anstaltsleitung wird nämlich befürchtet, daß dabei Drogen von einer Insassin zur anderen geschmuggelt werden könnten.
Zieht man zudem ebenfalls in Betracht, daß viele der Insassinnen ihre Familien nur sehr selten sehen und bei Besuchen Körperkontakt auch nur sehr eingeschränkt erlaubt ist, fungieren die Hunde für diese als eine Art Ersatzfamilie, von denen sie sich die "Streicheleinheiten" holen, die jeder Mensch nun einmal braucht.

Die Hunde helfen den Frauen sehr oft auch bei der Bewältigung persönlicher Probleme, denn oft fällt es diesen leichter ihre Sorgen einem der Hunde zu erzählen als mit anderen Insassinnen oder dem Anstaltspersonal darüber zu reden.
Einer der Gründe hierfür mag sicher in der Tatsache begründet sein, daß viele der inhaftierten Frauen in ihrem bisherigen Leben mit Menschen eher negative Erfahrungen gemacht haben. Weshalb es dann häufig leichter für sie ist, sich zunächst einmal einem Tier gegenüber zu öffnen.
Aber es bleibt nicht dabei, allein mit den Hunden zu reden, über sie kommt es häufig auch zu Gesprächen der Insassinnen untereinander oder auch mit dem Vollzugspersonal. In den Hunden hat man nämlich einen unverfänglichen Gesprächsgegenstand, und manchmal ergeben sich durch das Gespräch über den Hund auch noch andere Gesprächsthemen.
So werden die Hunde zum Mittler der Kommunikation oder auch zum sozialen Katalysator (vgl. hierzu: Corson, 1975).

Durch die Erziehung der Hunde lernen die Programmteilnehmerinnen auch den Unterschied zwischen Disziplin und Strafe. Dies ist meist eine ganz neue Erfahrung für die inhaftierten Frauen, für die die beiden Begriffe in der Regel gleichbedeutend sind. Viele der Frauen wurden während ihres bisherigen Lebens meistens für jedwedes Fehlverhalten bestraft, so daß sie kaum jemals selbst die Erfahrung positiver Verstärkung machen konnten.
Nicht zuletzt ist ja auch ihr Haftaufenthalt wiederum eine solche Bestrafung. Dementsprechend tendieren die Programmteilnehmerinnen zumindest anfangs dazu, auch die Hunde für jegliches Fehlverhalten zu bestrafen.
Daher legen die Programmleiterinnen größten Wert darauf, daß beim Training der Hunde nur mit positiver Verstärkung (Lob) und nicht mit negativer Verstärkung (Strafe) (vgl. hierzu: Kriz, 1994; Feddersen-Petersen, 19893) gearbeitet wird.
Sie versuchen den inhaftierten Frauen zu vermitteln, wie wichtig es ist, richtiges Verhalten der Hunde positiv zu verstärken, und daß dies im Endeffekt viel mehr Erfolg hat als wenn der Hund einen Befehl nur ausführt, weil er körperliche Strafe fürchtet.

 

 

1.5 Aufbau und Arbeitsweise des Prison Pet Partnership Program
Das PPPP hat drei Säulen, die die Arbeit gewährleisten,
das sind
die örtlichen Tierheime, die die Hunde für das Programm zur Verfügung stellen, die Mitarbeiter des Projekts und die im Projekt beschäftigten Insassinnen, die für die Ausbildung der Hunde sorgen, indem sie ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und ehrenamtliche HelferInnen aus der Umgebung der Haftanstalt, die es übernehmen die Hunde an alle möglichen Situationen des täglichen Lebens außerhalb des Gefängnisses zu gewöhnen, wie beispielsweise Bus- und Autofahren, Einkaufen gehen und anderes mehr, um sie auf ihren Dienst als Service-Hund vorzubereiten.

Als das Programm 1981 begann, hatte das WCCW gerade einmal hundertdreißig Insassinnen.
Heute sind es nahezu sechshundert. Daher hat auch das PPPP seine Kapazitäten mittlerweile ausgedehnt, so daß immer um die zwanzig Insassinnen am Programm teilnehmen können.

Zu den Dienstleistungen, die das PPPP ortsansässigen Hundehaltern und Tierheimen anbieten, gehören Baden, Scheren und Krallenschneiden für Hunde jeglicher Rasse und Größe.
Der Preis ist davon abhängig, welche Leistungen erbracht werden, und ob sie von einer bereits ausgebildeten "groomerin" ausgeführt werden oder von jemanden, der sich noch in der Ausbildung befindet.

Für Tierheime ist der "grooming-service" kostenlos. Diese berichten übrigens durchweg über gute Erfahrungen, die sie damit gemacht haben ihre Hunde scheren zu lassen. Denn die Vermittlungsraten der so gepflegten Hunde sind auf 80% ange- stiegen.

Das PPPP bietet außerdem Sonderpreise für ältere Bürger, die sich entscheiden, einen Hund aus dem Tierheim zu sich zu nehmen. Für Menschen, die nur über ein geringes Einkommen verfügen oder behindert sind, bietet das PPPP seine Dienstleistungen ebenfalls kostenlos an.

Bei den angebotenen Dienstleistungen achten die Programmleiterinnen besonders darauf, daß sie den Leistungen außerhalb der Haftanstalt entsprechen.
Dies geschieht zum einen, damit das PPPP mit anderen Anbietern konkurrieren kann, zum anderen soll es aber auch die Programmteilnehmerinnen auf den freien Arbeitsmarkt vorbereiten, der sie nach ihrer Haftentlassung erwarten wird. Deshalb wird von den Teilnehmerinnen des Programms auch erwartet, daß sie Kundenkontakt zu denjenigen pflegen, die ihre Hunde in den anstaltseigenen Hundesalon bringen.
Sie sollen hierdurch lernen, selbständig zu arbeiten und mit den Kunden zu kommunizieren. Das heißt, sie werden mit Situationen konfrontiert, die außerhalb des Gefängnisses zum normalen Alltag gehören.

Auch die beiden Ausbildungsgänge, die das PPPP den inhaftierten Frauen anbietet, sind an den allgemeinen Ausbildungsstandards außerhalb des Gefängnisses orientiert.
Daß das Programm durchaus auch von Arbeitgebern außerhalb des WCCW Beachtung findet, zeigt sich an einer Reihe von Anfragen aus der pet care industry, die danach fragen, wann die ersten Insassinnen, die am Programm teilgenommen haben, aus der Haft entlassen werden, da man diese gern einstellen würde.

Durch eine gute PR-Arbeit ist das PPPP mittlerweile weit über die Grenzen des Staates Washington hinaus bekannt. So sind die Mitarbeiterinnen des Projekts regelmäßig auf Messen, Ausstellungen und Tagungen, bei denen es um Tierpflege oder auch die Mensch-Tier-Beziehung geht, vertreten.
Auch besteht ein regelmäßiger Kontakt zur örtlichen und überörtlichen Presse, die bereits häufig über das Projekt berichtet hat (vgl. hierzu: Prison Pet Partnership Program News, 1996).

In letzter Zeit kommen auch immer häufiger Anfragen von anderen Haftanstalten, die ein ähnliches Projekt aufbauen möchten. Auch hier leisten die Mitarbeiterinnen des PPPP gern Hilfe.

Da die drei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen des PPPP nur Teilzeitstellen innehaben, werden sie in ihrer Arbeit von Honorarkräften unterstützt, die die Programmteilnehmerinnen in den Fächern Ethologie, Tierhygiene, Tiermedizin und Tierernährung unterrichten. Diese Fächer dienen dazu, den inhaftierten Frauen theoretische Kenntnisse bezüglich ihres späteren Berufs zu vermitteln.

Diejenigen Teilnehmerinnen des PPPP, die Service-Hunde ausbilden, müssen einen Kurs belegen, in dem sie alles Wichtige über Behinderungen und deren Auswirkungen auf das Leben behinderter Menschen erfahren.
Hierdurch soll den Insassinnen ein Einblick in das Leben behinderter Menschen gegeben werden, so daß sie deren oft sehr spezielle Bedürfnisse besser nachvollziehen können.
Dies hilft ihnen dann wiederum, diese spezifischen Bedürfnisse in das Training der Hunde miteinzubeziehen. Denn diese sollen ja schließlich später behinderten Menschen helfen, ihre durch die Behinderung hervorgerufenen Einschränkungen zu kompensieren.

Die eben erwähnten Theoriekurse werden meistens von Lehrenden der Washington State University oder des Tacoma Community College angeboten. Sie finden regelmäßig dreimal die Woche als vier- bis fünfstündige Einheiten statt.
Die Kurse bauen aufeinander auf, so daß die Insassinnen erst einen Kurs abgeschlossen haben müssen, bevor sie mit dem nächsten beginnen können. In der Regel werden auch Tests und kursabschließende Hausarbeiten geschrieben, die über die Teilnahme am nächstfolgenden Kurs entscheiden.

Die Programmleiterinnen erstellen zudem regelmäßige Berichte über die Entwicklung der einzelnen Programmteilnehmerinnen, die dann der Anstaltsleitung vorgelegt werden. Ergeben diese ein positives Bild einer Teilnehmerin und verhält sie sich außerhalb des Programms entsprechend, erhöht das ihre Chancen, wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden.

Für den Fall, daß eine Insassin nach ihrer Haftentlassung erneut ins WCCW zurückkommt, hat das PPPP die Regelung getroffen, daß sie dann nicht wieder am Programm teilnehmen kann.
Einmal, weil auch anderen Insassinnen die Möglichkeit gegeben werden soll, am PPPP teilzunehmen. Und zum anderen, weil das Programm seinen Teilnehmerinnen einen beschützten Raum bietet, in dem sich die Frauen meistens sehr wohl fühlen.
Es soll damit verhindert werden, daß eine Insassin, die in der Freiheit nicht zurecht kommt, erneut eine Straftat begeht, um wieder zurück ins Gefängnis zu kommen, um dort im vertrauten Raum des Programms weiter arbeiten zu können.

Neben dem oben erwähnten theoretischen Unterricht findet an zwei Tagen in der Woche auch noch praktischer Unterricht statt. Dieser wird abwechselnd von den drei Programmleiterinnen erteilt.

In der übrigen Zeit arbeiten die Programmteilnehmerinnen meist selbständig mit den ihnen zugeteilten Hunden, helfen im Hundesalon oder säubern die Zwingeranlagen und versorgen die Hunde dort.

Seit Ende 1996 nimmt das PPPP nämlich Hunde gegen ein Entgelt in Tagespflege. Dies ist dadurch möglich geworden, daß das Programm seit Sommer 1996 über ein eigenes Trainingsgebäude mit einer Zwingeranlage von zweiunddreißig Plätzen verfügt. Hier wird seitdem Hundebesitzern die Möglichkeit gegeben, ihre Hunde tagsüber, wenn sie zur Arbeit sind, in der Haftanstalt abzugeben und diese nach Arbeitsschluß wieder abzuholen.
Auf Wunsch wird mit den Hunden auch ein grundlegendes Gehorsamstraining praktiziert.

Die Hälfte der Zwingeranlagen ist außerdem mit Hunden belegt, die zwei bis drei Wochen dort verbringen, weil ihre Besitzer im Urlaub oder anderweitig abwesend sind. Hieraus ergeben sich natürlich ähnlich wie durch das Angebot des Hundesalons Kontakte für die inhaftierten Frauen zur Welt ausserhalb des Gefängnisses.
Viele der Hundebesitzer, die ihren Hund regelmäßig in die Haftanstalt bringen, um ihn dort in Tagespflege und/oder zum Scheren zu geben, möchten nämlich gern wissen, welche der Insassinnen ihn pflegt. Zu ersten Kontakten kommt es meistens, wenn die Besitzer ihre Tiere zum Trainingsgebäude auf dem Anstaltsgelände bringen dürfen.
Aus diesen ersten Kontakten entwickeln sich nicht selten engere Kontakte zwischen den Hundebesitzern und Programmteilnehmerinnen, die über die rein geschäftliche Beziehung hinaus gehen.
Auf diese Weise bekommen jetzt einige der Insassinnen regelmäßig Besuch von Menschen außerhalb der Haftanstalt, die sie über ihre Arbeit im PPPP kennengelernt haben.

Aus diesen Kontakten rekrutieren sich auch die meisten der oben schon einmal erwähnten ehrenamtlichen HelferInnen des PPPP, die die in Ausbildung befindlichen anstaltseigenen Hunde ausführen, um sie mit Situationen des täglichen Lebens außerhalb des Gefängnisses vertraut zu machen.
Dies ist deshalb besonders wichtig, weil die Hunde an alle möglichen Situationen gewöhnt sein müssen, bevor sie an behinderten Menschen abgegeben werden können. Denn ansonsten bestünde die Gefahr, daß sie später in für sie unbekannten Situationen panisch reagieren und sich und ihren neuen Besitzer gefährden.

Durch diese Kontakte zu Menschen, die von draußen in die Haftanstalt kommen, werden die Programmteilnehmerinnen auch ein Stück weit in die Haftanstalt umgebende Gemeinde eingebunden und erfahren etwas über das Leben außerhalb der Gefängnismauern.
Man sollte nicht unterschätzen, wie wichtig das gerade für Insassinnen ist, die sehr lange Haftstrafen abzusitzen haben. Dies zeigt beispielsweise die Aussage einer Programmteilnehmerin, die folgendes über das PPPP sagt:

"Es hat mir die Zeit (hier) erträglich gemacht und es war etwas, worauf ich mich jeden Tag freuen konnte. Aber das Wichtigste daran ist, daß es (mir) Kanäle zur Außenwelt offengehalten hat. (Denn) es ist sehr leicht sich vom Leben hier gefangen nehmen zu lassen."

 


1.6 Die Ausbildung der Hunde
Aus dem bisher Gesagten mag es scheinen, dass
der Schwerpunkt des Hundetrainings darauf liegt, sogenannte Service-Hunde für behinderte Menschen auszubilden.
Natürlich ist das der eigentliche Schwerpunkt des Programms, aber es ist natürlich abwegig
zu glauben, dass alle Hunde, die durch das PPPP ausgebildet werden, später als Service-Hund eingesetzt werden.

Zunächst einmal erhalten allerdings alle
Hunde, die ins PPPP aufgenommen werden, ein grundlegendes Gehorsamstraining, bei dem
sich meist sehr schnell herausstellt, welche Hunde sich für eine weitere Ausbildung zum Service-Hund eignen könnten.

Hier spielt natürlich die Intelligenz,
die Lernbereitschaft und das Temperament des Hundes
eine große Rolle.
Nur ein Hund, der sich einerseits nicht allzu leicht durch ungewohnte Situationen aus der Ruhe bringen
läßt, sondern gelassen darauf reagiert und dennoch
das ihm gegebene Kommando ausführt, und der sich andererseits lernwillig zeigt und die von ihm
geforderten Leistungen relativ schnell erlernt,
eignet sich zum Service-Hund.

Nach der Basisausbildung lernen diese Hunde dann beispielsweise neben einem Rollstuhl zu laufen, Sachen die heruntergefallen sind zu apportieren, Türen zu öffnen, jemanden beim Aufstehen vom Boden
zu helfen und vieles andere mehr.
Diese Ausbildung orientiert sich natürlich bereits an den Bedürfnissen des späteren Besitzers,
die in der Regel sehr unterschiedlich sind.
Dementsprechend unterschiedlich sieht auch die Aufbauausbildung der Hunde aus.
Im Durchschnitt dauert es acht bis zwölf Monate, bis ein Service-Hund ausgebildet ist.

Die Hunde, die sich nicht für die Ausbildung zum Service-Hund eignen,
werden entweder zu Therapiehunden ausgebildet oder werden nach dem grundlegenden Training
als gut erzogene Heimtiere (sog. "Paroled Pets") an Interessenten abgegeben.
Diese grundlegende Ausbildung dauert meistens nur wenige Wochen.

Auch von Therapiehunden wird erwartet, dass sie
ruhig und ausgeglichen sind und in ungewöhnlichen Situationen nicht aggresiv reagieren.
Auch müssen sie ungeschickte Streicheleinheiten über sich ergehen lassen können, ohne dies übelzunehmen.
Therapiehunde werden an Altenheime,
Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten oder
ähnliche Einrichtungen, wie auch an Einzelpersonen abgegeben, die derartige Einrichtungen regelmäßig besuchen bzw. in solchen arbeiten.
In den oben genannten Einrichtungen arbeiten
diese Hunde unterstützend in Rehabilitationsprogrammen
für Menschen mit den unterschiedlichsten Krankheiten und Behinderungen mit.
Sie werden vom Therapeuten, wie andere medizinische Hilfsmittel auch, als therapeutische Mittel eingesetzt.

Die Therapiehundeausbildung beginnt ebenfalls zunächst einmal mit Gehorsamstraining, dannach
folgt das Erlernen einiger wichtiger Kommandos, wie beispielsweise "Komm näher",
"Dreh dich um", "Bring das her", "Leg das ab", etc.
Auch werden die Hunde mit ungewöhnlichen Situationen vertraut gemacht, die ihnen in ihrer Arbeit begegnen können, wie z.B. Menschen in Rollstühlen,
mit Gehhilfen oder auch solche, die sich ungelenk bewegen oder sehr laut sprechen, etc.
(vgl. hierzu: Diamond Davis, 1992; Kusztrich, 1992; Greiffenhagen, 1991).
Eine derartige Ausbildung dauert in der Regel fünf bis sechs Monate.

Wenn jede Programmteilnehmerin einen Hund zugeteilt bekommen hat, beginnt das regelmäßige Training mit ihm. Manche Teilnehmerinnen, die schon länger am PPPP beteiligt sind, trainieren auch schon mal zwei Hunde gleichzeitig.
Das trifft besonders auf diejenigen Teilnehmerinnen zu, die als Vollzeit- bzw. Teilzeit- Hundetrainerinnen im Programm beschäftigt sind.
Wobei es sich hier immer um Frauen handelt, die ihre jeweilige Ausbildung zum pet care technician bzw. companion animal hygienist bereits abgeschlossen haben.

Das Training der Hunde ist jedoch kein Job, der nach acht Stunden am Tag abgeschlossen ist, sondern er dauert vierundzwanzig Stunden.
Denn die Hunde leben während des Trainings mit ihren Trainerinnen in deren Zellen.
Dadurch sollen die Hunde, von denen sehr viele negative Erfahrungen mit Menschen gemacht haben, an Menschen gewöhnt werden.
Dies ist nämlich Grundvoraussetzung dafür, daß diese später als Service- bzw. Therapiehunde arbeiten können.

Um sich eine Vorstellung davon machen zu können, was es für die Trainerinnen heißt,
ihre Zelle mit den von ihnen trainierten Hunden zu teilen, muss man wissen, daß die Zellen des WCCW
durchschnittlich 8 qm groß sind und sich in der Regel zwei Insassinnen eine Zelle teilen.
Das heißt gegebenenfalls teilen sich also zwei Menschen und zwei Hunde 8 qm.

Die Programmteilnehmerinnen sind in einem gesonderten Flügel des WCCW untergebracht, so dass andere
Insassinnen oder auch Vollzugsbeamte, die nichts mit den Hunden zu tun haben möchten, sich durch diese nicht gestört fühlen (vgl. hierzu: Lassie Comes Home ... to Prison, 1996).

Durch die Mitarbeit im PPPP ergeben sich schnell Kontakte zwischen den einzelnen Insassinnen und häufig entstehen daraus sogar Freundschaften.
Meist entsteht aus derartigen Freundschaften dann auch der Wunsch, gemeinsam eine Zelle zu bewohnen, was in der Regel möglich ist, wenn die Programmleiterinnen dies befürworten.

Die Zusammenarbeit der am PPPP beteiligten Insassinnen wird auch dadurch gefördert, dass von denjenigen Frauen, die schon länger am Programm beteiligt sind, erwartet wird, daß sie neue Teilnehmerinnen
bei der Arbeit unterstützen. Das heißt bereits eingearbeitete Insassinnen übernehmen eine Art Tutorentätigkeit bei der Anleitung neuer Teilnehmerinnen.

 


1.7 Wer kann einen Service-Hund aus dem Programm bekommen und wie?
Die Auswahl derjenigen, die einen Service-Hund
aus dem PPPP bekommen, erfolgt folgendermaßen:
Wer einen Service-Hund haben möchte, muss sich schriftlich bewerben, mit genauer Darstellung der vorliegenden Behinderung und einer Erklärung darüber, wieso er einen Service-Hund haben möchte, und ob er in der Lage ist, einen solchen Hund artgerecht
zu halten und für diesen zu sorgen.

Da es in einem Jahr bis zu fünfzig Bewerbungen gibt, aber maximal fünf Service-Hunde pro Jahr ausgebildet werden, wählt das Leitungsteam des PPPP die KandidatInnen, die einen Hund bekommen, sorgfältig aus.
Zuerst werden die schriftlichen Bewerbungen gesichtet, dann wird telefonisch mit den Bewerbern Rücksprache gehalten.
Zeigen diese dann immer noch Interesse, werden sie zu einem Gespräch in die Haftanstalt eingeladen. Verläuft auch diese positiv, findet meistens ein Hausbesuch statt, um festzustellen, ob der Bewerber in seiner Wohnung einen Hund halten kann.
Ist dies alles erledigt, wird der Bewerber gebeten, die nächsten zwei bis drei Monate regelmäßig in die Haftanstalt zu kommen, um gemeinsam mit seinem Hund zu trainieren.
Dieses Training wird von der Insassin, die den Hund bisher trainiert hat, begleitet.
Unterstützt wird sie dabei meistens von Jeanne Hampl, der Programmleiterin. Hier nun lernt das Team, bestehend aus dem behinderten Menschen und dem Hund, zusammenzuarbeiten.
In dieser Phase der Ausbildung lernt der Hund all die Fertigkeiten, die er für eine gute Zusammenarbeit mit seinem Besitzer benötigt.
Und der behinderte Mensch lernt mit seinem neuen Gefährten richtig umzugehen, so dass es zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit kommen kann.
Diese Ausbildungsphase endet mit einem Test, in dem der behinderte Mensch und der Service-Hund unter Beweis stellen müssen, daß sie gelernt haben zusammenzuarbeiten.

Um zu gewährleisten, dass gerade diejenigen
Hunde, die zu Service-Hunden ausgebildet werden, eine Ausbildung erhalten, die ihrer späteren Aufgabe angemessen ist,
müssen die Programmteilnehmerinnen zuerst einmal einige Hunde im Grundgehorsam ausgebildet
haben, bevor sie Service-Hunde ausbilden dürfen.
Denn jetzt kommt zur Hundeausbildung noch hinzu, dass beachtet werden muß, welche Aufgaben der Hund für seinen späteren Besitzer übernehmen soll, um dessen Behinderung auszugleichen.
Hierzu bedarf es aber bereits eines gewissen Grundverständnisses in der Hundeausbildung.
Damit diejenigen Frauen, die Service-Hunde trainieren, ein entsprechendes Verständnis für behinderte Menschen und deren Lebenssituation entwickeln, müssen sie, wie bereits oben erwähnt, an einem Kurs zum Thema Behinderung und ihre Auswirkungen auf das Leben behinderter Menschen teilnehmen.

Das Ziel der meisten Frauen, die im PPPP teilnehmen, ist es, irgendwann einmal einen Service-Hund ausbilden zu dürfen.
Entsprechend hoch ist ihre Motivation in der Arbeit mit den Hunden und meistens steigt ihr Engagement noch einmal, wenn zum Abschlußtraining die behinderten Menschen in die Haftanstalt kommen, um gemeinsam mit ihren Hunden und den Insassinnen zu trainieren.

Die Frauen, die bereits Service-Hunde ausgebildet haben, berichten begeistert von ihren Erfahrungen, die sie im Umgang mit den Hunden aber auch mit den behinderten Menschen gemacht haben, die einen
solchen Hund bekommen.
Dies illustriert wohl am besten die Aussage einer Programmteilnehmerin, die folgendes über das PPPP sagt:
"Es ist ein gutes Gefühl anderen zu helfen, die besondere Hilfe benötigen, um ein einigermaßen normales Leben leben zu können".

Aus den Kontakten, die die Insassinnen über ihre Arbeit mit den behinderten Menschen aufbauen, entstehen nicht selten dauerhafte Freundschaften, so dass sich über das Hundetraining dauerhafte
Außenkontakte für die Gefängnisinsassinnen ergeben.

Diese werden meistens zunächst einmal durch Briefe aufrecht erhalten. Da aber für all diejenigen, die einen Service-Hund aus dem PPPP erhalten haben, ein regelmäßiges Nachfolgetraining
angeboten wird, zu dem sie dann wieder in die Haftanstalt kommen können, werden auch hier die einmal geknüpften Kontakte aufrecht erhalten.
Hinzu kommt, daß viele derjenigen, die einen Service-Hund aus dem PPPP erhalten haben, sowieso regelmäßigen Kontakt zum Programm halten, weil sie an dessen Entwicklung interessiert sind und zum Teil sogar irgendwelche ehrenamtlichen Arbeiten für dieses übernehmen.
Hierzu gehört z.B., dass sie Artikel für die programmeigenen Zeitung schreiben oder auch bei Veranstaltungen, Fernseh- und Radiointerviews über ihre Erfahrungen mit Service-Hunden allgemein und über das PPPP im besonderen berichten.

Das bisher Gesagte abschließend ist festzustellen, dass das PPPP zum einen den Gefängnisinsassinnen während ihrer Haftzeit eine sinnvolle Tätigkeit anbietet und ihnen sogar die Chance gibt, eine Berufsausbildung zu erwerben.
Zum anderen hilft es ihnen aber auch bereits während ihrer Zeit im Gefängnis, Kontakte nach außen zu knüpfen und diese aufrecht zu erhalten.
Beides dient dazu, den Programmteilnehmerinnen später den Wiedereinstieg in die Gesellschaft zu erleichtern.
Dass dieser doch recht neue Ansatz in der Strafgefangenenarbeit wirklich Erfolg zeigt, ist daran zu erkennen, daß bisher keine Teilnehmerin des PPPP, die aus der Haft entlassen wurden, erneut straffällig geworden ist. Als repräsentativ kann dies allerdings noch nicht gelten, da erst vier Programmteilnehmerinnen seit Bestehen des Programms aus der Haft entlassen wurden.

 

 

 

2. Gibt es bereits ähnliche Ansätze in deutschen Haftanstalten?
Diese Frage läßt sich ganz klar mit einem Nein beantworten.
In der BRD gibt es leider keine dem PPPP vergleichbaren Projekte zur Resozialisation Strafgefangener.
Einer der Gründe hierfür mag sein, dass viele bundesdeutsche Gefängnisse nicht über den Platz verfügen, der benötigt wird, um ein derartiges Projekt initiieren zu können.
Ich denke hierbei vorrangig an die Gefängnisse, die sich in Innenstädten befinden und denen daher nur begrenzter Raum zur Verfügung steht.
Natürlich gibt es in der BRD auch Justizvollzugsanstalten, in denen ein solches Projekt, wie ich es oben vorgestellt habe, rein von den räumlichen Gegebenheiten durchaus praktikabel wäre.
Allerdings hat sich hier bisher niemand gefunden, der sich für solche Projekte innerhalb deutscher Haftanstalten engagiert, was mit Sicherheit auch daran liegt, dass tiergestützte Therapien wie auch Programme, die die Mensch-Tier- Beziehung fördern, in der BRD
noch in den Kinderschuhen stecken.

Will man solche Projekte, wie das oben beschriebene, in deutschen Gefängnissen initiieren, ist es sicher sinnvoll und hilfreich, sich auf die US-amerikanischen Programme tiergestützter Therapien in Haftanstalten zu beziehen.
Denn diese weisen schließlich teilweise schon eine zehn- bis fünfzehnjährige Praxiserfahrung auf. Hier kann häufig auch auf Evaluationen der jeweiligen Programme zurückgegriffen werden,
die deren Erfolge dokumentieren.
Die Erfolge "tiergestützter Resozialisation" in anderen Ländern (vor allem in den USA und GB) können eine gute Argumentationshilfe für denjenigen sein, der ein solches Programm innerhalb einer deutschen Haftanstalt anregen möchte.
So überzeugend aber auch die Argumente und Erfolgsergebnisse aus anderen Ländern sind, was den Einsatz von Tieren zur Resozialisation Strafgefangener angeht, wird es vermutlich nicht ganz einfach sein, die zuständigen Stellen im deutschen Strafvollzugssystem davon zu überzeugen ähnlichen Programmen zuzustimmen.

Ein weiteres Problem, weshalb es schwierig werden könnte tiergestützte Resozialisationsprogramme in deutschen Haftanstalten einzuführen, könnte die zunehmende Finanzknappheit im sozialen
Bereich sein, die auch den Strafvollzug trifft. Auch hier wird zunehmend Personal im sozialen Dienst eingespart.

Da man aber für derartige Projekte wie das PPPP auch einen gewissen Anteil an festangestellten Kräften benötigt, um das Programm zu organisieren und durchzuführen, könnte es zu Finanzierungsproblemen kommen, zumal es sich hier um ein für die BRD sehr neuen Ansatz in der Resozialisation Strafgefangener handelt.
Allerdings müßte man denjenigen, die einen solchen Ansatz allein aus Ersparnisgründen ablehnen, entge- genhalten, daß dies doch recht kurzfristig gedacht sei.
Denn die Rückfallquoten im deutschen Strafvollzug mit seinen herkömmlichen Resozialisationsprogrammen liegen heute bei ca. 80%.
In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, daß die tiergestützten Resozialisationsprogramme in den USA und GB demgegenüber eine Rückfallquote von gerade einmal zehn Prozent aufweisen.

Was Tierhaltung in Gefängnissen generell angeht, gibt es in der BRD aber bereits einige Lichtblicke. Es gibt nämlich bereits Anstalten, die zumindest
die Haltung von Kleintieren, wie Vögeln, Kleinnagern und Fischen zulassen, dazu gehören die JVA Fuhlsbüttel in Hamburg und die JVA Braunschweig (vgl. hierzu: Greiffenhagen, 1991).

Nach dem Strafvollzugsgesetz § 70 hat ein Strafgefangener durchaus das Recht, ein Kleintier zu besitzen (kleinere Vögel, Zierfische), wenn er damit den Betrieb und die Ordnung der Anstalt nicht stört.
Was als angemessen gelten kann, muss jeweils unter Berücksichtigung der Vollzugsgrundsätze und der individuellen Freizeitgestaltung des einzelnen Gefangenen bestimmt werden; im Zweifelsfall muss die Haftanstalt nachweisen, dass der angemessene Rahmen überschritten wurde (vgl. Greiffenhagen, 1991).
Aber leider handelt es sich hier nur um einige wenige Ausnahmen in der deutschen Gefängnislandschaft. Besieht man sich nämlich die
Praxis bundesdeutscher Gefängnisse, heißt es dort meist: keine Tierhaltung.

Wenn auch die Umsetzung eines derartigen Projektes wie des PPPP in deutschen Haftanstalten in absehbarer Zeit (d.h. in den nächsten zwei bis fünf Jahren) eher unwahrscheinlich ist, sollte man
darüber nachdenken, ob nicht bestehende Tierbesuchsdienstprogramme, die es vielerorts für Altenheime, Kinderheime, Behinderteneinrichtungen, u.a.m. bereits gibt, auf Gefängnisse ausgeweitet werden können.
Hier kann ich mir auch durchaus vorstellen, dass dies
von den Haftanstalten begrüßt würde, da diese eigentlich immer Freiwillige suchen, die Angebote für die Insassen der Anstalt anbieten, um so einen Kontakt zur Welt außerhalb der Gefängnisses herzustellen. Entwickeln sich solche Programme dann
positiv, d.h. wird von leitender Stelle festgestellt, dass die Insassen in ihrer Entwicklung von derartigen Programmen profitieren, besteht auch hier die Chance, dass einmal solche Projekte entstehen könnten wie das PPPP.
Denn dieses ist schließlich auch dadurch entstanden, dass Kathy Quinn zunächst einmal Hunde von außerhalb des Gefängnisses mit in die Haftanstalt brachte.

 

 


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